Recruiting - ein Interview

Wie sieht modernes Recruiting aus? Ist die Direktansprache noch sinnvoll?

Franz Langecker (FL): Herr Hammes, wie hat sich das Recruiting in den vergangenen Jahren verändert?
Kaus-Peter Hammes (KPH): Recruiting ist für jedes Unternehmen heute zum Thema geworden. In der Vergangenheit war Recruiting ein wichtiger Punkt in der Personalabteilung, hatte aber nicht den Stellenwert, dass man eigene Recruiting-Bereiche definierte und Recruiting als den vielleicht wesentlichsten Punkt eines modernen Personal Managements sah.

FL: Was sind die wichtigsten Fakten zum Recruiting?
KPH: Trotz Recruiting-Abteilungen fehlt es in vielen Unternehmen an schnellen Entscheidungen. Insbesondere hier gewinnt der Schnelle vor dem Langsamen. Die Bewerber erwarten eine sehr kurzfristige Reaktion, zügige Einladungen zu Gesprächen und einen unkomplizierten Ablauf. Hier ist alles auf schnelle Entscheidungen ausgelegt – angefangen vom ersten Kontakt bis hin zum Vertragsangebot sollte es nur rund vier Wochen dauern.

FL: Das läuft nicht immer rund…
KPH: Leider lassen sich auch in modernen Unternehmen die Bewerber-Erwartungen nicht erfüllen, da die Entscheider heute, in vielen Fällen, international unterwegs sind und für diese, trotz Recruiting-Abteilung. Hier steht nicht das Recruiting, sondern der Auftrag und der Kunde im Vordergrund

FL: Die Bewerber haben auch ihre Erwartungen.
KPH: Als Gesprächspartner erwarten die Bewerber einen hoch kompetenten, fachlich versierten und von der Personalabteilung befugten Entscheider, der auch in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen oder in kürzester Zeit durchzusetzen.

FL: Wie hat sich Recruiting verändert?
KPH: Die Beschaffungswege sind vielfältig, Social Recruiting nimmt einen überdimensionalen Stellenwert ein und der Haifischteich der Angler hat sich so enorm erweitert, dass viele Bewerber, die sich auf den Social Media Plattformen bewegen, heute gar kein Interesse mehr haben, lästige Anfragen zu beantworten. Viele Unternehmen machen heute die Erfahrung, dass die Recruiting Abteilungen sich nur in            genau diesem Goldfischteich bewegen und es deshalb doch hilfreich ist, gegebenenfalls, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, die darüber hinaus auch andere Wege gehen darf und kann.

FL: Was ist Ihrer Meinung nach das geeignete Mittel?
KPH: Die Direktansprache, auch wenn heute etwas anders positioniert, ist immer noch das ideale Mittel um gezielt, in kürzester Zeit, professionelle Kandidaten zu identifizieren, anzusprechen und zum Gespräch zu bringen.
Die Anzahl der anzusprechenden Personen hat sich multipliziert, da sich die Kandidaten, in vielen Fällen, nicht für eine Veränderung entscheiden, oder aber kurz vor der Entscheidung, nach Rücksprache in der Familie, sich doch für ein Bleiben im aktuellen Unternehmen entscheiden.

FL: Woran liegt das?
KPH: Heute spielen Work-Life-Balance, zusätzliche Anreize aber auch die Regionalität und geringe Fahrzeiten eine besondere Rolle. Mit einem reinen „Mehr an Gehalt“ ist ein Bewerber nur schlecht zu gewinnen.
Interesse an einer Veränderung besteht bei vielen Kandidaten, aber die Bereitschaft, diese auch tatsächlich umzusetzen, ist nur bei sehr wenigen vorhanden.

FL: Welche Richtung sollten Arbeitgeber einschlagen?
KPH: Der Arbeitsmarkt ist ein Bewerbermarkt, die Unternehmen müssen weit über ihre bisherigen Aktivitäten hinausgehen und bereit sein auch Strukturen zu verändern, sich modern aufzustellen und ein angenehmes Umfeld zu schaffen.
Auch hier sind Investitionen notwendig, da heute kein Bewerber Interesse daran hat, von einem angenehmen Arbeitsplatz, in einen, auch wenn besser bezahlten, zu wechseln, der von Anfang an zu viel Tradition, wenig Investitionsbereitschaft und kein angenehmes Umfeld wider spiegelt.

 

FL: Wie sieht Ihr Fazit aus?
KPH: Man sollte eine Recruiting-Abteilung erst dann gründen, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen sind, da ein modernes Recruiting auch schnelle Prozesse und ein zeitgemäßes Umfeld mit sich bringt. Die Anzahl der interessierten Bewerber wird eher geringer und die der anzusprechenden Kandidaten multipliziert sich überproportional.