Kulturverlust bei Vorstellungsgesprächen?

Gibt es einen Kulturverlust bei Vorstellungsgesprächen? „Soweit würde ich in der Beurteilung der Situation nicht gehen“, beantwortet Klaus Peter Hammes die Frage, Geschäftsführender Gesellschafter der internationalen Personalberatung.

Allerdings scheint das Vorstellungsgespräch mit einem potentiell neuen Mitarbeiter bei den Unternehmen bzw. dem neuen Arbeitgeber an Wertschätzung und Stellenwert einzubüßen. „Dieser Trend ist leider zu erkennen“, erfährt Herr Hammes die Erlebnisse der Fach- und Führungskräfte als Personalberater doch aus erster Hand. 

Der Kandidat wartet erst einmal eine halbe Stunde auf dem Flur; die Gesprächspartner sind nicht vorbereitet, teilen sich die Unterlagen, haben den Lebenslauf nicht gelesen; das Gespräch findet nicht auf Augenhöhe statt, da der Entscheider verhindert ist. Ein Schreckensszenario? Ja! Und eines, das bisweilen immer häufiger stattfindet. Obwohl auf der Homepage über Unternehmenskultur, Führungsleitlinien, Wertschätzung, den Umgang miteinander und die Mitarbeiter als wichtigster Erfolgsfaktor geschrieben wird. Da ist die Glaubwürdigkeit dahin - und der Bewerber weg!

Daher stellt der langjährige Headhunter zur Diskussion: „Ist Recruiting nicht Chefsache? Und haben die Bewerber nicht auch einen Anspruch auf Chef-Gespräche?“

Denn eins lässt sich nicht von der Hand weisen: Der Kampf um die besten und qualifiziertesten Mitarbeiter ist hart. Der Markt wird immer enger. Gute Kräfte sind in der Regel in festen und auch gut dotierten Positionen. Sie können sich ihren neuen Arbeitgeber aussuchen. Daher werden in der Zukunft - und die hat längst begonnen die Personalentscheider und Unternehmen immer häufiger erkennen müssen, dass sie selber auf dem Prüfstand stehen. Zum Beispiel wirbt ein Unternehmen im Stellenangebot mit kurzen und schnellen Entscheidungswegen. Lädt dann einen Bewerber zum dritten Gespräch ein und ist immer noch nicht in der Lage - nach nunmehr fünf Monaten - eine Entscheidung zu treffen und fordert noch Referenzen nach. Für den Bewerber hat jetzt das Unternehmen an Attraktivität für einen Jobwechsel verloren.

„Die Unternehmen stehen mit Qualität, Produktvielfalt, Innovationen, Preis etc. seit vielen Jahren im Wettbewerb, der Wettbewerb um Kandidaten bzw. die Existenz eines regelrechten Bewerbermarktes ist ungewohnt“, sagt Klaus Peter Hammes. Gut geführte Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ein modernes Personalmanagement aufgebaut. Dort besitzen Mitarbeiter und auch die Kandidaten den gleich hohen Stellenwert, wie Produkte oder Dienstleistungen, die Kunden und die Geschäftspartner des Hauses.

Unternehmenskultur, Philosophie oder Leitsätze sind keine Selbstläufer, sie wollen und sollen gelebt werden – von allen Beteiligten!