Personalarbeit für (Über-)Morgen

Ingenieure sind Mangelware in Deutschland. Die Stellen sind freigegeben, die Budgets sind großzügigst verteilt, und trotzdem wird gejammert. Wir finden nicht die geeigneten Bewerber. Natürlich nicht, denn viele Probleme sind hausgemacht.

In den vergangenen (Krisen-)Jahren wurden Entscheidungen ohne Weitsicht getroffen. An eine Besserung dachte niemand, und der einzige Ausweg schien: Einsparung, Personalabbau, Reduzierung an Weiterbildung und Ausbildung. Heute wirkt sich das nachteilig aus, ist die schnelle Bewertung so mancher Zeitgenossen. Aber ist die Situation wirklich so eindeutig? Nein, sagt Klaus Peter Hammes, Geschäftsführender Gesellschafter der Personalberatung p.p.m. personalberatung GmbH. Natürlich war es schwierig in den letzten Jahren die Unternehmen auf Kurs zu halten, aber vielen ist dies hervorragend gelungen. 

Welche Bedeutung hat jetzt die Personalarbeit für Morgen? Sie stellt entscheidende Weichen für die Zukunft und platziert das Unternehmen für High Potentials, Mitarbeiter mit Berufserfahrung und für die über 50-jährigen als attraktiven Arbeitgeber auf dem Markt. Gerade in den mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen liegt heute eine unglaubliche Chance: Sie sind keine ßbernahmekandidaten, viele sind von Familien oder Stiftungen geführt. Das macht sie für Bewerber interessant. Dazu bedarf es jedoch eines Umdenkens, einer präzisen Analyse der zu besetzenden Positionen und der hierfür benötigten Kernkompetenzen sowie einer aktiven Nachfolgeplanung. So vorsichtig die heute gesunden Unternehmen in den vergangenen Jahren mit Investitionen und dem Stammkapital umgegangen sind, so mutig müssen sie jetzt in Human Capital investieren. Das geht auch ohne Millionen-Budgets, sagt Herr Hammes. 

Umdenken ist nötig
In den 80er Jahren war der Markt anders strukturiert. Das Recruiting setzte auf Shows, Events und aufregende Ereignisse, um aus oft hunderten von Kandidaten die Goldfische herauszuangeln. Im heutigen Bewerbermarkt können es sich gut ausgebildete Kräfte leisten, ihren Arbeitgeber selber auszuwählen und Forderungen zu stellen. Unternehmen, die sich an diese Gegebenheiten nicht anpassen, geraten ins Hintertreffen. Neben der Aufgabe, der inhaltlichen Herausforderung und dem Verdienst werden attraktive Arbeitsbedingungen wichtiger: Arbeitszeitmodelle einschließlich Langzeitarbeitskonten, Kinderbetreuung, Programme zur Aus- und Weiterbildung und viele mehr sind für Fach- und Führungskräften immer häufiger Anlass für Wechsel. 

Eine aktive Personalabteilung ist gefragter denn je. Die Zeiten, in denen dort nur die Personalakten verwaltet und die Gehälter berechnet wurden, sind vorbei. Die Personalverantwortlichen gestalten aktiv die Umstellung auf ein modernes Personalmanagement mit. Sie steuern die Mitarbeitergespräche, führen neue Arbeitszeitmodelle ein. Sie klären den Bedarf für Personalentwicklung, und setzen die Maßnahmen zu Aus- und Weiterbildung um, loten weitere Spielräume für flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung aus und vieles mehr. 

Mit modernen Personalmarketingstrategien gerade für Auszubildende und Hochschulabsolventen leisten sie einen Imagetransfer für High Potentials mit Berufserfahrung. So erscheint das Unternehmen auf dem Markt als attraktiver Arbeitgeber. Hier gilt es sich in Zukunft gut aufzustellen. 

Was muss der neue Mitarbeiter wirklich können?
Wenn die Unternehmen aus eigener Kraft nicht die richtigen Bewerber finden, wenden sie sich an Personalberater, die sich dann auf die Suche machen. Die Hinterfragung und Anpassung eines Stellenprofils unserer Auftraggeber an die Anforderungen des Unternehmens ist kein Einzelfall stellt Klaus Peter Hammes fest. Dabei berücksichtigt der Berater den Markt und beurteilt die zu besetzende Position mit dem Blick von außen. 

Oftmals ist sich die Fachabteilung gar nicht so im Klaren darüber, was der neue Mitarbeiter können muss und was nicht. Welches sind die unabdingbaren Kernkompetenzen, und was ist erlernbar? Nehmen wir einen Mitarbeiter, der einmal als Techniker angefangen hat und in den letzten 20 Jahren die Entwicklung des Unternehmens begleitet und vorangetrieben hat. Der sich aufgrund seines Know-hows und seiner Bereitschaft, sich neuen Aufgaben zu stellen, zu einem hervorragenden technischen Einkäufer entwickelt hat: Dieser Mitarbeiter ist wahrscheinlich schwer zu ersetzen. Der Fachabteilung schwebt jetzt ein Mitarbeiter vor mit möglichst 2 Studiengängen, Bertriebswirtschaftslehre und Ingenieurwesen, z. B. Verfahrenstechnologie, plus Berufserfahrung in Produktion und Einkauf einschließlich fundierter Branchenkenntnisse - und am besten kennt er jetzt schon alle Lieferanten beim Namen und weiß um die Risiko-Schnittstellen in der betriebsinternen Produktion. Sprich: ideal ist der bisherige Mitarbeiter nach einer Verjüngungskur plus 2 Turbo-Studiengänge. Diese Erwartungshaltung ist unrealistisch. Man sollte es nicht glauben, aber sie ist auch heute noch vielfach anzutreffen. 

Die Herausforderung besteht in einer genauen Analyse des neu zu besetzenden Arbeitsplatzes. Gegebenenfalls wird an Schnittstellen umstrukturiert, um alle Positionen sinnvoller zu besetzen. Aufgaben können je nach Fähigkeiten und, über Weiterbildung, neu erworbenen Kenntnissen besser verteilt werden. Das heißt nicht, einen gesamten Change Management-Prozess anzustoßen. Manchmal ist es nur eine Umdrehung an einer Stellschraube, die das Ruderwerk besser laufen lassen; die den einen oder anderen Mitarbeiter sein Potenzial besser entfalten lassen. Der neue Mitarbeiter wird von Beginn seiner Einarbeitungszeit an sinnvoll eingesetzt. Die zu erlernenden Fähigkeiten werden schrittweise vermittelt. Denn die berüchtigte eierlegende Wollmichsau findet man nicht über eine Stellenanzeige. Diese Solitäre werden über Jahre gezüchtet. Stärken stärken, Schwächen erkennen.

Durch gezielte Förderung wird die Leistungsbereitschaft und die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen erhöht. Warum wird sie dann so selten durchgeführt? Klaus Peter Hammes hört oft Sätze wie "Das ist für uns noch kein Thema" und "Wissen wir, aber dafür haben wir keine Zeit." Der Gedanke wird oft zu Gunsten des Tagesgeschäfts weg geschoben. Aber später kann zu spät sein.

Wie schafft es ein Unternehmen ohne große Personalentwicklungsabteilung, diese Lücke zu schließen? Nur gemeinsam mit der Geschäftsführung und den Führungskräften! Früher kannte der Unternehmer seine Leute alle persönlich. Er kannte, erkannte und anerkannte den Willen zur Lernbereitschaft, sah die jeweiligen Stärken und Schwächen, förderte und forderte: So entstanden Karrieren vom Lehrling zum Geschäftsführer. Heute liegt diese Aufgabe bei der jeweiligen Führungskraft: Die Erwartungen der Mitarbeiter zu erfahren, ihre Fähigkeiten und Grenzen zu erkennen und im Einklang mit den Zielen des Unternehmens in die richtige Richtung zu steuern. Es gibt Eigenschaften, die einander ausschließen, wohingegen sich andere hervorragend ergänzen und das Potenzial wunderbar erweitern. Der von Natur aus super kreative Kopf und der Hang zum systematischen, durchorganisierten Arbeitsrhythmus, gepaart mit einer Sympathie zur Administration schließen sich beispielsweise aus; der Entwickler und Tüftler wird nie der Managementkopf in einem Unternehmen sein. Das will er auch gar nicht. Seine Ziele lauten zum Beispiel, neue Wege bei der Herstellung neuer Prototypen zu finden. Umgekehrt kann der organisierte und strategisch denkende Manager mit Kreativität neue Märkte für das Unternehmen finden und mit Hilfe seines organisiert arbeitenden Vertriebs erschließen. Diese Eigenschaften zu erkennen, den Mitarbeiter dementsprechend einzusetzen und zu fördern ist die Herausforderung an die Führungskraft. Voraussetzung hierfür ist das Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft sowie eine offene Kommunikation. Die Anerkennung der erbrachten Leistung des Mitarbeiters und die Transparenz in der Planung der weiteren Entwicklung sind unabdingbar.

Das Gleiche gilt für das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Führungskraft. Instrument hierfür sind Zielvereinbarungs- und Planungsgespräche. Die Ergebnisse fließen dann in die gezielten Maßnahmen zur Förderung und Weiterbildung anhand der gewünschten Nachfolgeplanung ein. Wird dies offen gelebt und konsequent durchgeführt, erschließt sich die Unternehmensleitung die wichtigsten Tugenden Ihrer Mitarbeiter: Loyalität und Motivation. Diese beiden sind der Schlüssel zum Erfolg. Und die Lösung für Morgen? Wenn das so einfach wäre. Ein 100%-ig erfolg versprechendes Konzept, wie die richtigen Kräfte zu finden und zu halten sind, gibt es nicht. Es ist durchaus sinnvoll, diese Thematik mit Außenstehenden zu besprechen. So wird der sogenannte Tunnelblick ausgeschaltet und alle Maßnahmen auf den Prüfstand gestellt. Ein erfolgreiches Personalrecruiting ist das Ergebnis vieler einzelner Faktoren. Klaus Peter Hammes: "Es ist wie ein Puzzle. Hat man alle Teile, ergeben sie nur ein Bild, wenn sie richtig zusammengefügt werden." 

p.p.m. personalberatung GmbHErschienen in der Wirtschaftsbild Ausgabe 25